13 Nov 2015

„Gestatten, mein Name ist Bellenbaum… Mira Bellenbaum!“ – Über privates Netzwerken, Business Networking und Beziehungsmanagement

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„Beziehungen schaden nur dem/der, der/die keine solchen hat!“ – Ein Gemeinplatz, der uns soziales Netzwerken ähnlich wie die Bürde vom Lifelong Learning zur Dauerdisziplin aller Bemühungen erhebt, zeitlebens!  Die o.g. „James-Bond-Formel“ kennt man aus dem Ratgeber für Business Networking; aber würde ich mich so auch privat auf der Geburtstagsparty eines Freundes vorstellen?

Der Rebensaft und Antioxidantien face to face

Ich erwärme ein Glas Allerweltrotwein in der Hand, bis er nicht mehr trinkbar ist, bei einem dieser zahllosen Networking-Empfänge ohne Benefit-Erwartung. Und trotzdem gehe ich hin zur dieser Verlagspräsentation – Schrägstrich – Lesung – Schrägstrich – Irgendwas. Anlass (wohl) ganz klar Business, meine persönliche Motivation mehr eine bunte Mischung aus „Mag nicht zuhause sein, während die Band meiner Freundin in unserer Wohnung jammt“ bis hin zu „Vielleicht treffe ich eine liebe Autorenkollegin, die über Facebook zugesagt hat“ – Also doch eher privat? Meine Synapsen saugen zwischen den Lesebeiträgen schwammartig Anregungen zu dem Blog-Artikel auf, den Sie hier gerade lesen – also doch wieder Business. Das junge Verlagsteam stellt sich in der Pause als „Netzwerk zur Förderung des literarischen Lebens“ vor. Zunächst vorverurteile ich das Vernommene als pseudo-hippen Marketing Sprech, höre dann aber gespannter von handgemachter Fertigung aller herausgegebenen Bücher und einem bewusst marktfernen Kostendeckungsprinzip, nach dem alle dort arbeiten. Immer noch ein Business-Anlass?

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Ist „Business“ in diesem Sinne überhaupt nur (entgeltliche) Erwerbarbeit für den Lebensunterhalt oder doch mehr? Dabei kippen sich mir Life Style Blogs ins Gehirn und die Fotoausstellung einer Freundin, die dies als Abschlussprojekt einer persönlichen Weiterbildung begonnen hat und nun als First Step in ihre berufliche Selbstständigkeit nutzt. Uji, ein halbes Glas Allerweltsrotwein und ich bin schon verwirrt!

Couchsurfing und Besuchskartentausch

Bevor ich gehe, lese ich in einer Zeitung am Verlagsstand von einem australischen Fotografen, der seit über zwei Jahren ohne Geld durch die Welt reist und sich von seinen Auftraggebern  jeweils in Form von Unterkunft, Transport, Gewand und Nahrung „vergüten“ lässt. Privat bei den Kunden daheim nächtigen: Ist das ein neues Geschäftsmodell oder Wellenreiten auf fremden Schlafsofas mit Nebenbei-Fotografie?

Wieder zuhause teile ich mit Chips-Resten der hoffnungsvollen Nachwuchsmusiker meinen Wohnzimmer-Diwan, die gerade über ihr erstes Debüt-Album philosophieren (noch privates Hobby, bald aber vielleicht Business – sozusagen „in freudiger Erwartung“). Ich mag den Akustik-Gitarristen, quatsche mit ihm (rein privat) über seine Pläne (rein beruflich), und merke beim Kramen in meinem Geldbörsel, dass eine Visitenkarte weniger ist. Ich habe sie eben einer älteren Dame bei der Verlagspräsentation ausgehändigt, die mich beim Weinwarmhalten beobachtet hatte (Visitenkarte? Na, logisch: Business!). Später wird sie mir von den geplanten Winterferien mit ihren Enkeln mailen und ich freue mich auf Urlaubsfotos… – Jetzt also rückwirkend wieder privat?

Eine Internetauswertung über Nationen hinweg

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Ich mache das, was alle meiner Generation tun, wenn sie hilflos scheinen: Googeln! Gebe ich „berufliche Netzwerke“ ein, kommen über 3 Millionen Treffer von bekannten und weniger bekannten Networking-Plattformen im WWW und Online-Wirtschaftsblätter, die über den Nutzen von und einige Tipps über Networking debattieren. Tippsele ich hingegen „private Netzwerke“ ein, blitzen über 14 Millionen Ergebnisse auf: Allesamt Firmenseiten über Datennetzwerke, Hinweise auf virtuelle IT-Systeme oder private IP-Adressen! „Beruflich“ gälte danach quantitativ zwar weniger, das dafür aber alles als Networking; „privat“ wäre zwar die Quantität größer, aber eben nur aus Glasfaser und W-Lan bestehend. Ich versuche im Makrokosmos meiner eigenen Online-Netzwerke die obige These induktiv zu untermauern und bleibe bei „InterNations“ kleben, einst als reines Expat Network gegründet. Inzwischen tummeln sich allerlei weltoffene Menschen dort, die gern internationale Ideen und Kulturen auch im eigenen Land um sich haben – Ich bin nur einer davon, der nie ein „Expatriate“ im Geschäftssinne war. Business oder privat? Der dortige Slogan „Connecting global minds“ genauso wie Foren á la  „Town Talk“ sprechen für letzteres. Ich scrolle über Fotos und die Kleidung der Leute hinweg und kann mich nicht entscheiden…

111Immanuel Kant schrieb einmal: „Es ist ganz was anderes, Dinge voneinander unterscheiden, und den Unterschied der Dinge erkennen. Das letztere ist nur durch Urteilen möglich!“ Mir gefällt der Gedanke, dass Distinktionsvermögen weder Verschiedenheit noch Trennung bedeuten muss, sondern auch auf der Betrachtung ein und desselben nur nach verschiedenen Gesichtspunkten beruhen mag. Oft geht es eher um den persönlichen Anstrich, den ich meinem Tun verleihe. Warum etwa arbeite ich? Um zu leben, klaro! Gibt’s etwas Privateres als den eigenen Lebensweg?