5 Jan 2016

Ordnung ist das halbe Leben? – The dark site of the Force, every year again!

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Es ist im Job wie privat oft dasselbe: Ob beim Keller ausmisten, am Projektende oder fürs letzte Buchhaltungsquartal – stets scheint der Ordnungsaspekt auf. Platz zu schaffen für Neues, die Unternehmenszahlen zu berechnen und die Schreibtische von Papierstapeln zu säubern, stellen sich für die meisten unter uns als die weniger spannenden Tasks dar. Hier gilt es keine Drachen zu bezwingen, kein Serum zu entwickeln und nicht die Jedi-Galaxie vor der dunklen Bedrohung zu erretten…

Ordnung als Systemvoraussetzung – „First Order“ oder Todesstern?

ChaosWirtschaftswissenschaftler/innen definieren Ordnung als Voraussetzung für die Beschreibung eines Systems, vor allem dessen Struktur und Hierarchie. Ordnung ist dabei nicht nur immer von der Wahrnehmung jener, das System beobachtenden Personen abhängig. Auch kann sich „Ordnung“ im Wege der Selbstorganisation ohne eine von außen kommende Ordnungsfestlegung vollziehen.

„Ordnung ist die Verbindung des Vielen nach einer Regel!“ (Immanuel Kant)

 

Bei der Umsatzsteuermeldung oder beim Lohnsteuerjahresausgleich etwa sehen wir buchhalterische wie finanzrechtliche Vorgaben von außen, die wir schlicht systembedingt zu berücksichtigen haben. Hingegen kann (und darf) meine persönliche Schreibtischablage zuhause sowohl subjektiv für jeden Außenstehenden als auch objektiv betrachtet gerne einem „kreativen Chaos“ ähneln, solange ich damit effizient klarkomme. „Ordnung“ bezeichnet somit aus persönlicher Sicht zunächst einmal eine Strategie oder ein Modell, um einem Zustand ungeordneter Entropie zu begegnen.

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Ursprünglich entstammt der Begriff „Ordnung“ aus der altgriechischen Fachsprache der Weber und kam über das Lateinische zu uns („ordo“ = Reihenfolge, Glied, Stand etc.) und bedeutete dortig „aus Fäden ein verknüpftes Gewebe anlegen“ – mit „ordentlich“ im heutigen Sinne hatte dies erst einmal nichts zu tun. Heute sind aus gleicher Begrifflichkeit „Orden“ für uns meist religiöse Gemeinschaften mit klaren Regeln – wie bei den Jedi-Rittern; einen „Orden“ verliehen bekommen nicht immer die „Ordentlichsten“ sondern diejenigen, die aus Sicht (meist des Staates oder Vereins) etwas Tolles für ihre Gemeinschaft geleistet haben.

„Vom höchsten Ordnungssinn ist es nur ein Schritt zur Pedanterie.“ (Christian Morgenstern)

 

Als „ordentlich“ bezeichnen wir gemeinhin Jemanden, der Ordnung schafft und hält, zumeist aufräumtechnisch. Eine „ordentliche Buchhaltung“ aber ist eine solche, die transparent und exakt geführt wird, wurscht wie die Blätter zusammen getackert sind. Aus „ geordneten Verhältnissen“ stammte früher jemand mit wohlhabender Familie ohne Brüche, Verwerfungen oder nicht gesellschaftsgemäßem Verhalten. Bezogen auf die Kindererziehung hatte mithin „Zucht und Ordnung“ zu herrschen, was heute (dankenswerter Weise) nur noch für übertrieben strenge Autorität und Disziplin Verwendung findet.

„Ordnung“ ist sohin kein Positivum per se sondern kontextabhängig und mit dienender Funktion: Ob und welche Ordnung ich gerade wozu brauche, entscheidet! Ordnung führt ferner noch nicht automatisch zu Ordentlichkeit im Sinne von „Jetzt habe ich den totalen Durchblick!“ So löst ein „geordneter Grenzübertritt“ die Flüchtlingsproblematik ebenso wenig wie ein „geordnetes Konkursverfahren“ die Arbeitsplätze der Belegschaft rettet.

„Jeder Narr kann Regeln aufstellen und jeder Tor wird sich danach richten.“ (Henry David Thoreau)

 

Ort(n)ung in der Raum-Zeit – Luke, I am your father!

cassette-994272Etwas „in Ordnung bringen“ müssen wir nur dann, wenn es unordentlich ist, sprich: Ein unerwünscht chaotischer Zustand besteht. Das ist fast stets räumlich bezogen: Auf die Gedanken in unserem Kopf, die herumliegenden Spielzeuge im Kinderzimmer oder eine verheimlichte Beziehungsstruktur. Ordnung außerhalb einer räumlichen Struktur ist pragmatisch schwer vorstellbar.

Deswegen kommt es immer auf die konkrete Ver-Ortung an: Wer in seinem Weinkeller alles durch- und übereinander liegen hat, schätzt vielleicht allein dessen konstante Kühlung, muss aber deshalb kein/e Chao/in z.B. im Studienalltag sein. Wo andere sich erfolgreich auf der Suche nach lange vermissten Familienangehörigen in die Arme fallen, empfindet Luke Skywalker gegenüber seinem Vater Darth Vader eher „gemischte“ Gefühle.
„Ordnung, Strukturierung und Planung versuchen die Ängste vor dem Unberechenbarem zu vertreiben!“ (Damaris Wieser)

Ordnungen helfen uns, begrenzten Platz effektiv zu nutzen und – wie jede Regel – eine Verbindlichkeit im Team festzulegen, um sinnvoll zusammenarbeiten zu können. Wenn mein „eigenes System“ (z.B. der Dateiordner) alle anderen mitmachen müssten, führte dies sicherlich zu Verzweiflung und fehlender Nachvollziehbarkeit. Anderes verlange ich beim Verstehen des Schilderwaldes im Großmarkt. Auch der WG-Putzplan ist also deswegen wichtig, weil mehrere (verschiedene) Charaktere miteinander leben und so Vertrauen aufbauen, nicht um der Sauberkeit schlechthin Willen.
„Alle Ordnung ist für den Einzelnen Freiheitsbeschränkung!“(Friedrich Paulsen)

 

Neujahrsvorsatz Unordnung – begun the clone war has!

Menschen als Jäger/innen und Sammler/innen besitzen (statistisch betrachtet) durchschnittlich 10.000 Gegenstände, die selbstverständlich alle dringend gebraucht werden (Schuhschranksymptom!). Ordnungsservices und Life Coaches wollen uns vom vermeintlichen Ballast befreien, welcher uns die Luft zum Atmen nehme. Der/Die Messie wird bei uns gerne therapiert, der/die Ordnungsfanatiker/in gilt hingegen als schrullig, aber gutmütig besorgt.

Wer sieht schon gerne Wäscheberge aufgetürmt oder die Zettelwirtschaft herumfliegen? Psychologisch mag das Wegschaffen, das Ordnung herstellen und das oft damit verbundene Gefühl des Erfolgserlebnisses etwas bringen, aber (Stichwort: Bad putzen!) nur äußerst kurz anhalten – nichts für eingefleischte Hedonisten, sondern mehr für Alltagsbuddhisten á la „wieder ein leeres Gefäß zum Aufgießen von Neuem“.

„Wenn wir jemandem vorwerfen, er sei unordentlich, sagen wir nie, welche Ordnung wir meinen!“ (Walter Ludin)

 

Clone WarsOftmals scheinen Ordnungssysteme von Logik und Allgemeinverständlichkeit oktroyiert, ganz wie beim Klonen in Episode II: Attack of the Clones. Das vermeintlich „Beste“ wird vervielfältigt und nach Silvester zum guten Vorsatz geadelt, aber wofür? Um noch mehr Zeit für das „Andere“, das „Echte“ und „Spannende“ zu gewinnen… Sieht man „Ordnung“ als das an, was sie ist, gehört sie (falls zu un-sexy) entweder outgesourct oder mit etwas Schönem verbunden – ob bewusste, gedankliche Entspannung beim Hemdenbügeln oder lautes Musikhören beim Bewirtungsbelege sortieren.

„Ich liebe die Ordnung, aber nicht die gewöhnliche, sondern die organische – sie ist wie ein Baum mit krummen Ästen!“ (Peter Zadek)