12 Jun 2015

100 Bewerbungen und noch immer keinen Job – aus dem Alltag einer Jobsucherin

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Studium – und dann?

Eigentlich habe ich alles richtig gemacht, dachte ich immer: Studium an einer Elite-Uni, Auslandssemester, Praktika in mehreren renommierten Unternehmen, Nebenjobs seit Studienbeginn bis hin zu einer permanenten Stelle in einem KMU, in dem ich zum Schluss sogar eine Manager-Position bekleidete. Für den Abschluss meines Studiums hatte ich zwar ein wenig länger gebraucht als meine StudienkollegInnen, aber irgendwie musste ich dies natürlich alles unter einem Hut bringen und wollte nebenbei auch noch ein wenig „vom Leben haben“. Aber als ich es dann endlich geschafft hatte und mein Abschlusszeugnis in der Hand hielt, begann erst die große Reise.

Studium

Bewerbungsmarathon – Der olympische Gedanke zählt?

Anfangs noch euphorisch und motiviert schrieb ich die ersten Bewerbungen, hob meine Stärken hervor und konzentrierte mich auf meine Erfahrung und mein Potenzial. Leider gingen die potenziellen ArbeitgeberInnen nicht immer mit dem gleichen Enthusiasmus an meine Bewerbungen heran. Manchmal erhielt ich Standardabsagen. Manchmal kamen sogar sehr freundliche „ist zu viel des Guten“ Rückmeldungen. Aber nach den ersten Wochen der Absagen begann ich mich zu fragen, was ich wohl falsch gemacht hätte bzw. was ich vielleicht anders hätte machen sollen in meinem Leben.

Mit den ersten Monaten der Arbeitslosigkeit und der Infragestellung meiner in der Vergangenheit getroffen Entscheidungen kamen nicht nur aus dem Familien- sondern auch schon aus dem Freundeskreis die ersten Fragen zu meiner beruflichen Situation: „Und, hast DU schon etwas gefunden? Man darf heute nicht so hohe Ansprüche haben!?“… Musste man sich Monaten vorher immer denselben Fragen à la „Wann wirst Du denn endlich fertig?“ stellen, hatte man das Gefühl, nun die nächste Etappe dieses Strudels erreicht zu haben.

bewerbung

Wo stehe ich? – Die Zweifel kommen…

Anfangs hatte ich mich noch gewehrt, aber irgendwann später dann auch aufgegeben, mich zu rechtfertigen. Familientreffen oder Treffen mit Freunden wurden ab einen gewissen Zeitpunkt reduziert. Nur die Wenigen, die noch kurz vor ihrem Abschluss waren oder sich in der gleichen Situation befanden, sollten meine Wegbegleiter in dieser Zeit bleiben.

Es war nicht alles so deprimierend. Ab und zu wurde ich auch zu Gesprächen eingeladen, manchmal mit VermittlerInnen, manchmal mit den AuftraggeberInnenn von VermittlerInnen, die mich in Jobs reinbringen wollten, für die ich wirklich nicht studieren hätte müssen. Assessment-Tests, Stress-Interviews, … – Ich habe alles durch- und mitgemacht.

Es waren weit mehr als 100 Bewerbungen, und: Obwohl ich mir das nie hätte vorstellen können während meines Studiums – Ich hatte immer noch keinen Job! Als ich zu studieren begann, wurde uns sogar geraten berufliche Erfahrung zu sammeln und dafür nicht in Mindeststudienzeit zu studieren. Und jetzt ist wieder alles anders? Hätte ich mich nur auf mein Studium in Wien konzentrieren sollen?

(M)ein Job – „der richtige“?!

Ich wollte unbedingt in diesem einen Bereich arbeiten, aber nach der Vielzahl von Absagen fragte ich mich, ob ich mir nicht einen anderen vorstellen könnte. Anfangs fiel mir das sehr schwer. Es kam mir vor, als würde ich aufgeben, als wäre es ein Schuldeingeständnis für mein eigenes Versagen, wenn ich mich für einen Job bewerben würde, der nichts mit meiner Spezialisierung zu tun hätte. Zum Glück gab es einen dieser Wegbegleiter in der Zeit, der mich immer wieder motiviert hat, dran zu bleiben und mich immer wieder an meine Erfahrungen, die ich in meinen Jobs und während meines Auslandsaufenthalts gemacht habe, erinnerte.

Ich habe mich dann doch auf einen Job beworben, der zwar sehr spannende Tätigkeiten mit sich brachte, aber der sich mehr aus meiner beruflichen Erfahrung ableiten lies, als aufgrund meiner Ausbildung. Ich wurde dann auch zu einem Gespräch eingeladen. Es war ein freundliches, wertschätzendes Gespräch mit dem gesamten Team. Keine Tests, keine Probetexte, keine Stressfragen. Obwohl ich mittlerweile genug Vorbereitung auch darin hatte, und dies souverän gemeistert hätte. Es war einfach nur eine angenehme Atmosphäre. Das Gespräch endete mit dem Überreichen eines Vertragsentwurfes. Der Entwurf MEINES Arbeitsvertrages. Anfangs wusste ich gar nicht, wie mir zu Mute sein sollte, aber nachdem ich endlich begriff, konnte ich mich sogar ein wenig freuen.

Heute mache ich das, was ich immer machen wollte, Menschen zu helfen ihren eigenen Weg zu gehen. Ich bin in dem Bereich gelandet, in dem ich immer sein wollte. Auf Umwegen, aber ich bin da!