23 Jul 2017

„…Erwachsen sein dagegen sehr!“ – wie mit dieser Entwicklungsstufe umgehen?

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Erwachsenwerden… – Aufgewachsen, Herangewachsen, Ausgewachsen?

Als Kinder und Jugendliche hatten wir oft das Gefühl, die ganze Welt läge unTräume in Seifenblasens zu Füßen. So viele Dinge, die es zu erkunden gab, so viele Optionen persönlicher Weiterentwicklung und Erlebnisse. Als Erwachsene haben wir sogenannte „Sachzwänge“ kennen gelernt, manch herbe Enttäuschung eingesteckt und Grenzen erfahren statt bloß erzieherisch aufgezeigt zu bekommen. Praktische Bemühungen geben nun keine Fleiß-Sternchen mehr vom Klassenlehrer, und mit bloß theoretischen Möglichkeiten lässt sich schwer haushalten, um zielgerichtet etwas Konkretes zu erreichen: Sei es der Traumjob, die glückliche Familie oder der lebenswerte Wohnort. Die Welt aus dem Angeln heben zu wollen, klingt als 14-Jährige/r unverfänglich und großartig zugleich. Heute ist die meinige als Lebensentwurf verpackt mit zahlreichen Spezifikationen und No-Go’s definiert und will wie ein Pflichtenheft Punkt für Punkt genau erfüllt werden. Sind nur die Ansprüche zu hoch, wie der „Generation Y“ so gerne simplifizierend vorgeworfen wird?

Ausbruch, aber wohin?Regeln und Werte aus Jugendtagen haben wir kritisch hinterfragt und vieles davon erfolgreich abgestreift. Lediglich an unterbewussten Glaubenssätzen knabbern wir noch etwas länger. Häuser niederreißen alleine erschafft aber noch kein fundiertes Wertegebäude, in dem sich komfortabel wohnen lässt. Wollen wir Altes loswerden, müssen wir selbst das Wertevakuum schließen, den Druckausgleich durch neuen Sauerstoff herstellen – und das kann mühsam sein. Wahrhaftigkeit gibt uns keine Institution mehr vor; ob etwas künftig noch funktioniert, lässt sich bei der gegenwärtigen Weltdynamik kaum vorhersagen. Oft fischen wir im Trüben, stellen löchrige Lebenspläne auf und fühlen uns nicht vorbereitet auf eine erfolgreiche Zukunft. Nach Immanuel Kant stellt das Erwachsenwerden schon deswegen eine sinnvolle Entwicklungsstufe dar, weil wir uns das erste Mal gegen unsere Beeinflussbarkeit und Leichtgläubigkeit aus Kindheitstagen richten und uns mithilfe der Vernunft als kritischem Werkzeug wehren. Aber der Wechsel zu individualistischer Selbstführung führt noch nicht zu einem zufriedenen Leben, Skeptizismus gibt keine Richtschnur, gedankliche Anarchie macht nicht dauerhaft frei und Globalisierung bedeutet nicht Wohlstand für alle!

Aussaat, Unkraut, ErnteErwachsensein bedeutet mithin nicht den Austausch von Wahrheiten durch Optimierung, wie ein Handy-Update. Als Erwachsene/r weiß ich zwar immer mehr, lerne stets dazu und bin trotzdem nicht automatisch klüger oder gar weiser. Gemachte Fehler helfen nicht automatisch, neue zu vermeiden. Erwachsensein bedeutet die Akzeptanz der Unsicherheiten und Unklarheiten, verbunden mit einer persönlichen Strategie, um damit klarzukommen. Eigene Entscheidungen treffen, Fehler selbst verantworten und in die Zukunft denken? Klingt alles nicht sexy oder locker, sondern schon wieder nach Pflicht und Aufgabenbewältigung á la „Räum‘ dein Zimmer auf!“. „Traue keinem/r über 30“ taugt auch nur als ein super Ratschlag für jemanden, der/die immer unter 30 bleibt. Alle anderen stellen den Prozess statt den Lösungsendzustand in den Vordergrund, das Baustellen-Absichern und das Felder-Beackern in jedem kommenden Jahr.

 

Erwachsenbleiben… – Ihr innerer Clown ist nicht Kind geblieben

Clown SmileDa war manche Jugend weit einfacher zu managen. Nach den Schulaufgaben hatte man frei und kam dreckig, glücklich, müde und hungrig zum familiären Abendessen heim. Heute kriegt man Mahnungen ins Haus geschickt, rasselt durch die doofe Rechnungswesen-Klausur, schreit unberechtigt die/den  Lebenspartner/in an und hat gelegentlich das Gefühl, nix auf die Kette zu bekommen. Solche Tage gibt es. Die Kunst ist nicht, sie zu vermeiden (klappt nie!), sondern mit ihnen umzugehen: wie ein Clown. Clowns sind nicht dumm oder albern, sondern wissen ob ihrer Unzulänglichkeiten, um das tollpatschige Hinfallen und das Ausgelachtwerden von anderen. Sie lassen sich nicht unterkriegen, machen sich daraus selbst einen Spaß und lachen darüber. Manches Mal halten sie uns einen Spiegel vors Gesicht. Deswegen mögen wir Clowns und finden diese sympathisch. Ein Clown ist lustig, er tut niemandem etwas zuleide und ist Stehaufmännchen wie -frauchen. Er steht nicht nur auf, er steht auch auf Ihrer Seite.

Wenn Sie das nächste Mal einen dieser „herausfordernden“ Tage haben, wo schier nichts richtig zu funktionieren scheint oder Sie sich über sich und andere(s) grün, blau und rot Ärgern wie die Schminke eines Clownsgesichtes:  Stellen Sie sich vor, was Ihr innerer Clown tun würde (Jede/r hat so einen, manchmal sitzt er tief vergraben hinter Business Etiquette oder selbstmitleidigem Stress!). Grämen Sie sich weder, noch versuchen Sie krampfhaft, alles zu reflektieren und zu Tode zu analysieren. Ihr innerer Clown würde schlicht sein Clownsgesicht verziehen und die rote Knubbel-Nase zur Seite neigen. Er ist sich bewusst, was alles nicht funktioniert hat, aber parodiert es so, als wäre alles bestens und das wie selbstverständlich. Erzählen Sie ihm begeistert alles, was Sie in letzter Zeit nicht hinbekommen haben; so, als ob es perfekt gelaufen wäre: Haben Sie schlecht geträumt, schwärmen Sie davon, wie ein gestilltes Baby eingeschlafen zu sein. Sind sie der/m Arbeitskollegen/in unfair über den Mund gefahren, sagen Sie Ihrem Clown, wie bedacht und achtsam Sie ihm/r gestern zugehört haben. Ihr Clown wird Sie anlächeln und kann nichts tun, als es Ihnen zu glauben! Waren Sie schon wieder ungesund essen, dann loben Sie das vegane Bio-Restaurant, indem Sie am Mittag Super Food verköstigten. Gleiches gilt für die aus-powernde Sportstunde im Anschluss, die Sie in Wahrheit  zugunsten der XXL-Chips-Tüte auf der Couch gespritzt hatten.

Clown BriefDas ist weder Selbstbetrug noch Lebenslüge, denn Ihr innerer Clown ist alles andere als ein einfältiger Dummkopf. Er weiß ganz genau, dass es alles nicht so war oder jedenfalls nicht ganz! Er nimmt sich selbst, seine Fehler und die Bürden der Welt nur nicht so schrecklich ernst und begegnet jedem Ausrutscher mit professioneller Clownswürde, die weder ein tollpatschiger Ausrutscher noch eine Torte im Gesicht zerstören könnte. Ein Clown ist dadurch witzig, wird aber nie zur naiven Lachnummer! Probieren Sie es aus, und schreiben Sie Ihre (angeblichen) Supererlebnisse allesamt auf ein Blatt Papier nieder – schon nach den ersten Sätzen  fangen Sie vermutlich selbst über sich zu schmunzeln an. Ihr innerer Clown tut es schon jetzt.

 

Erwachsensein… – Special Deal or Average-sized Life Styling?

Peter-Plan-FluchtDer Unbill des Erwachsenwerdens  wie des -seins begegnen Einige mit Abstumpfung, um die Realität (vermeintlich) besser zu ertragen. Ob Drogen, Egoismus oder Gleichgültigkeit: Diese Arrangements schütten das Kind in uns mit dem Bade aus – Operation gelungen, Patient/in tot. Das Lebenswerte findet sich gerade im Umgehen mit Lebensherausforderungen, nicht in steriler Abschottung dagegen. Andere fallen dem Peter-Pan-Syndrom anheim und versuchen, für immer Kind zu bleiben bzw. den Jungbrunnen ewiger Aufgeschlossenheit anzulegen. Weder jedoch lässt Kindheit sich eins zu eins nachholen, selbst wenn Versäumnisse zu beklagen waren. Noch erlebt man die Dinge mit gleicher kindlicher oder jugendlicher Zufriedenheit, wenn man bereits erwachsen ist. Den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik haben wir im Physikunterricht gelernt; zurückdrehen lässt sich das persönliche Entwicklungsrad aber nur in Sci-Fi-Serien über temporäre Paradoxien statt im Lebensalltag linearer Zeit. Das klingt wenig spektakulär und ist auch so! Gesunder Pragmatismus eignet sich nicht für markige Revolutionssprüche, Kompromissbereitschaft nicht für Ideologie-Begründungen und die Alltagszufriedenheit nicht als Helden/innen-Epos.

Normal = Langweilig?Stinknormalos sind die heutigen Echtzeit-Loser der Gesellschaft, da wir den Kampf gegen unsere spießige Vorgänger-Generation im Stillen weiterkämpfen – mit uns selbst. Unser Leben soll ausgefüllt = spannend, anders, neu und gesteigert sein. Tägliche Routinen werden oft mit alltäglicher Langeweile gleichgesetzt. Das Gewöhnliche gilt als trivial, Bekanntes als nichts wert und Wiederkehrendes als Stillstand. Der Lebenslauf wird auf aktualisierte Zertifikate und Lifelong Learning hin abgeklopft, die monogame Missionarsstellung als Vorstufe zur sexuellen Impotenz betrachtet. Seneca sagte einmal, große Menschen erkenne man an der Verachtung der großen Dinge. Mit Erlebnisgastronomie und Abenteuerurlauben wie dem Leben im ständigen Superlativ-Hype hätte der Stoiker wenig anzufangen gewusst. Alles, was im zur Schau gestellten Social-Media-Privatleben wie in TV oder Internet nicht hochstilisiert dargestellt ist, taugt allenfalls für analoge Groschenromane oder Arztpraxis-Zeitungen. Infotainment versprechen Success Storys von der/m Außenseiter/in zum Superstar, von der/m Drogenabhängigen zum/r Bestsellerautor/in oder dem/r vom Schicksal gebeutelten Depressiven, der/die sich die selige Lebensmitte zurück erobert hat. Verläuft das eigene Leben unterhalb dieser Spannungsschwelle, scheint etwas zu fehlen oder an der Ausrichtung nicht zu stimmen. „Du erwartest einfach zu viel vom Leben!“, schiebt sich dieser Satz in unser Bewusstsein, den wir gerne verdrängt haben, weil er uncool klingt. Wer aber stets der perfekten Welle hinterhersurft, kann während des Paddelns leicht in einer nicht perfekten ersaufen.

Fancy MenuStatt sich auf die „kleinen Momente des Lebens“ reduzieren zu müssen (wer will schon „kleine“ Erlebnisse gehabt haben?!), kann man sich hingegen zu deren persönlicher „Größe“ bekennen. Das vermindert die Angst, etwas zu verpassen wie die Gefahr, den Fokus bereits vorab auf spätere Präsentation gegenüber der Community zu verengen. Ist das Handy-Foto für die eigene Erinnerung oder den FB-Post? Erfahren Sie im Moment etwas individuell Tolles, erübrigt sich der Vergleich mit den aufgehübschten Erlebnissen der Anderen. Sind Sie mental gesättigt, brauche ich kein All-you-can-eat-Optionen-Buffet (ich kann und will es ohnedies nicht alles essen!), kein XXL-Upgrade, keinen Special Deal oder Fancy-Bau-Dir-deinen-Burger.

Cheers to your LifeSie brauchen nur zweierlei: Zunächst die Unterscheidung dessen, dass Sie sich das „klein“ der Anderen nicht zu eigen machen müssen – es ist deren Bewertung, nicht zwingend die Ihre. Und weiters die Offenheit für jederzeitige, unerwartete Geschenke, die zu würdigen man lernen kann. Einen „Guten Tag“ nicht nur als Standardbegrüßung, ein „Danke schön!“ nicht lediglich als Höflichkeitsfloskel und ein Lächeln nicht bloß als Gesichtsreflex anzunehmen, bedeutet nicht Selbstbegrenzung oder persönlicher Verzicht  – es bedeutet Mut zur Fokussierung auf das (scheinbar) Normale, nicht Perfektionierte und Ungeplante. In der Jugend waren oft die spontanen und improvisierten Partys am besten, von denen gerade kein Foto existierte, keine überzogenen Erwartungen existierten oder etwas objektiv Verrücktes passiert ist. Deren Extravaganz, deren Besonderheit war das, was Jede/r persönlich davon mitgenommen hat. Hört sich langweilig und spießig an? Das haben unsere Eltern schon über deren Erzeuger/innen gedacht, und über deren, und über deren…